Montag, 26. Januar 2015

Schule der Vergangenheit

Die Schule sei vor allem darauf aus, die Kinder zu funktionalisieren, also abzurichten, ist Gerald Hüther überzeugt. Deshalb sagen viele Erwachsenen auch, die Schulzeit sei die schlimmste Zeit gewesen.

 

Hüther beruft sich auf die Hirnforschung und zeigt eine Alternative: Schulen, in welchen die Kinder weinen, wenn Ferien sind. Ein spannendes Interview.

Montag, 19. Januar 2015

Kinder lehren Kinder

Renate Kock legt mit ihrem Buch Kinder lehren Kinder eine Recherche zum Begriff des tâtonne-ment expérimental vor. Nach einer historischen Übersicht und der Abgrenzung gegenüber anderen Tendenzen arbeitet sie den Zusammenhang zwischen den individuellen Interessen und der Struktur des allgemeinen Arbeitsplanes heraus. Damit gelingt es Célestin Freinet sich von den ministeriellen Vorgaben abzukoppeln und transparent für die Kinder eine Struktur der Welt aufzubauen, die konse-quent an ihren eigenen Interessen orientiert ist. Die Kinder lernen also, dass ihr Bild der Welt sich nicht aus einer objektiven und vorgegebenen Sicht dieser Welt ergibt, sondern aus der Konstruktion ihrer eigenen Lernaktivitäten.

Der Titel des Buches ‘Kinder lehren Kinder’ ist also nicht der Ansatz ‘Lernen durch Lehren’ von Jean Pol Martin, in dem Kinder von einem Lehrer den Auftrag bekommen, in seine Rolle zu schlüpfen und dadurch dass sie ein Thema Lehren viel über dieses Thema lernen. Kock verdeutlicht den Ansatz von Freinets: Indem er die Freien Texte der Kinder zum Ausgangspunkt seines Unterrichts macht, das thematisiert, was die Kinder einbringen. Sie beschreibt vor allem auch, wie das Schritt für Schritt geschieht. ‘Kinder lehren Kinder’ bedeutet daher, dass das, was ihnen so wichtig war, das sie es in ihren Freien Texten erzählt haben, genutzt wird, um ihre Fragen dazu zu sammeln und diese schließlich im Unterricht zu bearbeiten.

Hier schliesst sich der Kreis zum Beitrag der letzten Woche: anstelle eines Schulbuchthemas der freie Text. So dminiert nicht der Lehrplan, sondern das Interesse der Kinder. Es ist der akribischen Darstellung von Renate Kock zu verdanken, dass nicht nur der Begriff des tâtonnement expérimental im Werk Célestin Freinets bestimmt wird, sondern, ausgehend von diesem Begriff auch Fragen an dieses Konzept Freinets möglich werden.

Renate Kock (2001): Kinder lehren Kinder – Der Begriff des tâtonnement expérimental im Werk Célestin Freinets – Hrsg. Jürgen Bennack, Baltmannsweiler, Schneider-Verlag Hohengehren, als gebundenes Buch bestellen: ISBN: 3-89676-404-7
als Taschenbuch bestellen: ISBN: 9783896764041

Dieser Beitragist eine bearbeitete und gekürzte Version einer Besprechung von Jürgen Göndör.

Montag, 12. Januar 2015

Auch virtuelle Schulbücher unterwerfen Kinder und Lehrer

Nochmals Schulbücher: In Zukunft sind Schulbücher interaktiv. Das scheint unbestritten. Und wenn alle Schulbücher von der Fibel in der ersten Primarklasse bis zu den Vorlesungsskripten an der Universität in einem iPad drin sind, hat das auch logistische und gesundheitliche Vorteile: es gibt weniger Gewicht herumzutragen.

Der kalifornischen Firma Apple schwebt vor, dass jeder Schüler oder Student nur noch ein Tablet-Gerät (natürlich aus Cupertino) bei sich hat. Die Lerninhalte können interaktiv erarbeitet werden, sind immer aktuell und sind dank Anschluss ans Netz immer aktuell. Wie das im Detail aussehen könnte, darüber hat der Infwiss-Blog bereits vor drei Jahren berichtet: Apple revolutioniert das Schulbuch.

Technisch mag das ausgefeilt sein, wie so manches von dieser kalifornischen Firma. Inhaltlich, das heisst von pädagogischen Standpunkt aus, ändert das an der Kritik Freinets überhaupt nichts: Ob man sich einem reellen oder einem virtuellen Diktat unterwirft, bleibt das selbe.

Montag, 5. Januar 2015

Schule ohne Schulbücher!

Zum Neujahr nochmals der gleiche Beitrag, wie zu Silvester? Nicht ganz; das Satzzeichen macht den Unterschied und dreht den Inhalts ins Gegenteil. Nachdem ich den Beitrag bereits veröffentlicht hatte, erinnerte ich mich an den französischen Reformpädagogen Célestin Freinet, der den Schulbüchern äusserst skeptisch gegenüberstand.

Schulbücher verdummen die Kinder
"Schulbücher sind ein Instrument der Verdummung. Sie dienen lediglich den offiziellen Lehrplänen - und auch das manchmal sehr schlecht. ... Schulbücher dienen also de facto in erster Linie der Unterwerfung des Kindes unter den Erwachsenen und noch genauer, unter die gesellschaftliche Klasse, die durch Lehrpläne und Finanzen das Unterrichtswesen beherrscht. ...

Selbst wenn die Schulbücher gut wären, wäre es am besten, sie so wenig wie möglich zu benutzen. ... Das Buch ist dann eine Welt für sich, fast etwas Göttliches, dessen Behauptungen man kaum noch in Frage stellt. ... So töten die Schulbücher jede Kritikfähigkeit; und wahrscheinlich verdanken wir ihnen diese Generationen von Halbgebildeten, die jedes einzelne Wort glauben, das in der Zeitung steht."

Schulbücher verdummen die Lehrer
"Aber die Schulbücher unterwerfen auch die Lehrer. Sie gewöhnen sie daran, das immer gleiche Wissen auf immer gleiche Art weiterzugeben, ohne sich darum zu kümmern, ob das Kind es aufnehmen kann. ... Es ist unbedingt notwendig, daß die Lehrer sich von dieser mechanischen Vermittlung freimachen, um sich der Erziehung des Kindes zu widmen. "

zitiert aus: Célestin Freinet: Schluß mit den Schulbüchern, zi.tiert nach: Hering/Hövel: Immer noch der Zeit voraus, 1976, S.117ff