Montag, 25. April 2016

Weshalb man über Flüchtlinge in der Schule reden muss

Komplexes Thema, kindgerecht erzählt
aus «Bestimmt wird alles gut» (Klett).
Bei Gesprächen, Geschichten und Spielen zu unangenehmen Themen, wie etwa der Tod oder eben Flüchtlinge, nicht darum, den Kindern Angst zu machen oder gar ein schlechtes Gewissen. Vielmehr geht es um Aufklärung. Den Kindern von Unrecht, Missständen und dem Leid anderer zu erzählen, bedingt aber auch, ihnen die Möglichkeit zu geben, zu handeln. Andernfalls ist es für sie schwer auszuhalten. Hilflosigkeit zermürbt ja auch uns Erwachsene und treibt uns in die Verzweiflung, den Zynismus oder die Gleichgültigkeit, welche dann zu genau solch unsäglichen Situationen führen, in denen man Kindern verbietet zu reden.

Darum gehört es dazu, nicht nur mit den Kindern das Thema anzugehen, entsprechende Bücher, Geschichten zu lesen, zu besprechen, sondern den Kindern auch zu zeigen und vorzuleben, dass man durchaus etwas Kleines beisteuern kann. Wenn Kinder etwas selber Gebackenes verkaufen und den Erlös an ein Hilfswerk spenden, wird damit aktuell kaum Elend verhindert. Aber im Sinne der politischen Bildung ist es das mehr als Wert. Unsere Kinder sind die Politiker, Verkäufer, Wähler, Lehrer, Ärzte und Eltern von morgen.

Zu den Büchern der letzten Wochen sind mir noch folgende Unterlagen in die Hände gefallen:

weitere Artikel zum Thema Flüchtlinge im Unterricht:
- Mit Kindern über Flüchtlinge reden (4. April)
- Wie man über Flüchtlinge reden kann (18. April)
- Lumina und Pangolin im Land der Krokodile (2.Mai)

Montag, 18. April 2016

Wie man über Flüchtlinge reden kann

Es geht nicht mehr darum, ob man die Flüchtlingskrise in der Schule oder dem Kindergarten thematisiert, sondern höchstens noch darum, wie. Das ist in der Tat schwierig, weil man weit vorausdenken muss und unserer Generation schlicht die Erfahrung fehlt.

Andrea Fischer Schulthess schrieb vor rund einem Monat im Tages-Anzeiger dazu: Alles, was man einem Kind erzählt hat, kann man ja nicht wieder aus ihm herausnehmen. Es ist da drin und beginnt dort ein Eigenleben zu führen. Wer das Bild von Aylan noch im Kopf hat und die Bilder der Zäune in Idomeni oder von Athens Strassen, weiss, was ich meine.

Darum ist es wichtig, Kindern solche Bilder nicht einfach krud vorzusetzen, auch nicht im Gutgemeinten. Doch mit behutsam gewählten, einfachen und dosierten Worten können sie meiner Überzeugung nach an praktisch alles herangeführt werden. Je nach Kind in unterschiedlicher Form. Das bedingt, dass man genau beobachtet, wie es reagiert, und ihm zuhört.

Auch die Kleineren haben schon das Werkzeug und die Erfahrung, sich einzufühlen und auf ihre Art zu verstehen. Irgendwo hinkommen, wo man die Regeln nicht versteht, wo man nicht versteht und nicht verstanden wird, nicht dazugehören, Angst und der Verlust von etwas Geliebtem – im Kleinen kennen alle Kinder diese Sorgen. Einige Unterrichtsmaterialien arbeiten daher auch mit einfachen Übungen und Spielen. Zum Beispiel: «Was ist dein wichtigster Gegenstand, was würdest du packen etc.?»

Ergänzend zu den bereits vorletzte Woche vorgestellten Büchern seien noch erwähnt:


weitere Artikel zum Thema Flüchtlinge im Unterricht:
Mit Kindern über Flüchtlinge reden (4. April)
- Weshalb man in der Schule über Flüchtlinge reden muss (25. April)

Montag, 11. April 2016

Computerunterstützte Diagnose

Quelle: Lehrerbüro
Wie wäre es, wenn Sie nur im Liegestuhl zu liegen hätten und andere für Sie arbeiten würden? Immer wieder versuchen uns windige Geschäftsleute irgend etwas unterzujubeln, das ihnen großen Gewinn verspricht und uns angeblich viel Geld fürs Nichtstun.

Ganz so arg ist es hier nicht. Doch sei ein kleines Gedankenspiel erlaubt: Eine Maschine übernimmt den administrativen Kram und wir haben mehr Zeit, uns den Kindern im Unterricht zu widmen. Die bekannte Korrigiermaschine korrigiert Rechenhefte und uns bleibt mehr Zeit, spannende Lektionen vorzubereiten. Immerhin gibt es verschiedene Lernhilfen mit Selbstkorrektur, die uns im Alltag entlasten.

Vor einiger Zeit las ich von einer Software-Lösung im Bereich Diagnostik: Es heisst Alfons und es gibt Ausgaben für Deutsch und Mathematik, jeweilen für die ersten vier Schuljahre. Was es verspricht: Standard-Tests in jeweils vier Schwierigkeitsstufen ermöglichen die diagnostische Fehleranalyse. In der Rechtschreibung wird anschließend differenzierter Trainings- und Übungsbedarf in 10 Haupt- und 185 Feinkategorien ermittelt, in den Grundrechenarten in 10 Haupt- und 72 Feinkategorien. Es können einerseits die Resultate schriftlicher Tests eingegeben werden, als auch die Übungen von den Kindern direkt am Computer gelöst werden. Vergleichstest ermöglichen Lernfortschritte zu erkennen und es können auch eigene Tests erstellt werden.

Der Beschrieb tönt überzeugend. Das Programm ist bereits seit 1997 auf dem Markt und wurde zwischenzeitlich mehrmals überarbeitet. Es wurde vom Verein für angewandte Lernforschung und der Universität Bamberg entwickelt. Ziel der Alfons Diagnostik-Programme sei es, den konkreten Problembereich des einzelnen Kindes und damit seinen Förderbedarf einzugrenzen. Hanspeter Orth weist jedoch darauf hin, dass die einfache Diagnose der Probleme eines Schülers nicht normiert erfolge wie bei einem wissenschaftlichen Test. Alois Buholzer und Raffael Meier haben verschiedene Programme aus dem Bereich Förderdiagnostik untersucht. Meine Frage ist: Wer hat Alfons schon eingesetzt? Wie sind die Erfahrungen damit? Hält das Programm, was der Verlag verspricht? Welche Vorteile bietet eine solche Rechnergestützte Lösung? Gibt es auch Schattenseiten oder Nachteile?

Mehr: Eine detaillierte Analyse von Michael Sauerland und Robert Kröger (Universität Münster)

Montag, 4. April 2016

Mit Kindern über Flüchtlinge reden

Zwei syrische Mädchen
(Bild: Ostsee-Zeitung)
Letzthin schrieb eine Journalistin des Tages-Anzeigers über einen Kindergärtler, der über ein syrisches Mädchen in seiner Klasse erzählte, das schon recht gut Deutsch spreche. Sie wollte sich sich freuen, da ergänzte dessen Mutter, dass das Mädchen auch von seinen Erlebnissen im Krieg und auf der Flucht erzählt habe. Dies wiederum habe die Eltern der anderen Kinder so irritiert, dass sie dem Mädchen verboten haben, darüber zu sprechen.

Dass die Eltern mit dieser Situation überfordert sind, das glaube ich gern. Den Entscheid hingegen, den Kindergärtlern per Zensur aus der Überforderung zu helfen, sei - und hier sei der Journalistin beigepflichtet - gelinde gesagt dumm, unmenschlich und kurzsichtig.

Dieses Verbot ist unmenschlich gegenüber dem Mädchen aus Syrien, das sich nicht mehr artikulieren darf. Es ist aber auch kurzsichtig gegenüber allen anderen Kindern, denn unabhängig davon, was ihre Eltern auch versuchen, die Kinder werden mit der Flüchtlingsthematik und deren Ursachen schneller konfrontiert als den Eltern lieb sein wird; gemäß Prognosen mehrerer Hilfswerke je länger, desto mehr. Das ist ein Verbot nur schon deshalb dumm, da sich hier die Situation böte, gemeinsam mit der Kindergärtnerin das Thema so zu thematisieren, wie es ihnen geboten scheint.

Auf lange Sicht wesentlich sinnvoller wäre es deshalb, sich bewusst und altersgerecht schon früh mit den Themenkreisen Flucht, Migration und deren Ursachen zu befassen; wenn es sich aus dem Alltag ergibt gerade jetzt. Es wäre demnach viel wichtiger und hilfreicher gewesen, schrieb die Journalistin, einen Elternabend zum Thema zu machen und sich auszutauschen – nötigenfalls mit Dolmetscher und Kinderpsychologe. Beides lässt sich einfach finden.

So hätte man mal in Ruhe besprechen können, wie man die Kinder auf altersgerechte Art an Dinge heranführen soll, die ohnehin Teil ihrer Realität sind. Und dazu gibt es viele gute Lehrmittel (für Schule und Kindergarten) und eine ganze Reihe geeigneter Bücher (auch fürs Elternhaus):