Donnerstag, 23. Februar 2023

Mit künstlicher Intelligenz spielen

Seit einigen Monaten geht ein Gespenst um: Künstliche Intelligenz (KI), welche die Hausaufgaben der Kinder erledigen könnte. «Sprach-KI wird in der Arbeitswelt ein relevantes Werkzeug werden. Also sollte man in der Schule lernen, kritisch damit umzugehen», sind Fachleute wie Didaktikdozent Philippe Wampfler überzeugt.

Ein Beispiel aus der Anwendung von ChatGPT in der Schule: Ein Junge hat «sexy» ins Bildgenerierungsprogramm eingegeben. Die 10jährige Nea fragt: «Warum kommen da nur Bilder von Frauen?» Der Klassenlehrer Nils Landolt erklärt: «Weil es im Internet vor allem diese Art Bilder gibt mit dem Stichwort.» – «Warum denn?», fragt Nea. Landolt zögert. Er versucht zu erklären, dass online ein einseitiger männlicher Blick auf Frauen besonders präsent ist. Eine andere Lernbegleiterin mischt sich ein: «Wenn wir hier herumfragen würden, würde jeder ‹sexy› für sich selbst anders definieren. Aber die KI lernt das eben aus dem Internet.» Eine Lernsituation wie aus dem Bilderbuch. Das Thema sexistische Verzerrung in der KI ist angekommen.

Landolt glaubt daran, dass der spielerische Umgang mit der neuen Technik die beste Vorbereitung für Kinder ist. Sein Leitspruch ist: «Wollen wir in der Schule mittelmässige Roboter produzieren oder tolle Menschen?»

 

Eine Kinderbuch mit künstlicher Intelligenz schreiben

Derweil probiert die zehnjährige Nea das Delegieren an die KI aus. Mit mässigem Erfolg. Nea will, dass ihr die KI dabei hilft, ein Kinderbuch zu schreiben. Es soll um einen Strassenhund gehen. Chat-GPT soll ihn beschreiben. Nea gibt ins Feld ein: «Buddy ist bäsch und zotlig.» Chat-GPT: «Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen ohne weitere Informationen leider nicht sagen, wer Buddy ist oder wie er aussieht. Es wäre hilfreich, wenn Sie mir mehr Informationen über Buddy geben könnten, damit ich Ihnen besser helfen kann.»

Nea: «Buddy ist ein hund b kurze zotige.» Chat-GPT: «Oh, ich verstehe. Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht besser helfen konnte. Wenn Sie mir mehr Informationen über Buddy geben, werde ich mein Bestes tun, um Ihnen zu helfen.»

«Buddy ist ein Hund mit kurzen zottligen Haaren, die braun sind», gibt Nea mithilfe der Lernbegleiterin ein. Chat-GPT antwortet umgehend: «Danke für die weiteren Informationen über Buddy. Es hört sich so an, als ob er ein netter Hund sein könnte mit seinen kurzen, zotteligen Haaren, die braun sind. Könnten Sie mir noch mehr über Buddy erzählen, wie zum Beispiel, wie er ist oder was er gerne macht? Ich würde gerne mehr über ihn erfahren.» Nea lacht und seufzt: «Ich glaub, ich schreib selber.»

 

Künstliche Intelligenz füttern ist schwierig

Auch die Illustrationsfähigkeiten der KI haben Nea enttäuscht. Der künstlichen Intelligenz Anleitungen zu geben, die genau das erwünschte Ergebnis bringen, ist eine Kunst für sich. Es braucht viel Wissen um den Kontext, aus dem die KI kommt, um die richtigen Schlagworte zu finden. Für Kinder einfacher klappt es mit der urheberrechtlich bedenklichen Google-Bildersuche. Dort findet Nea Bilder von Hunden. Als sie ein Bild sucht, das das Gefährt des bösen Hundefängers zeigt, kommt dann auch Google an seine Grenzen. Da bittet Nea ihren Mitschüler Gabriel, der neben ihr ins Zeichnen versunken am Tisch sitzt, um Hilfe und fragt, ob er den Hundefänger für sie zeichnen könne.

Eine beruhigende Einsicht: Nea lässt sich keine Ideen aufdrängen. Sie hat ihre eigene Geschichte im Kopf. Wenn ihr der Computer andere Dinge vorschlägt, dann findet sie Wege, sich zu wehren. Die Zeichnung ihres Schulfreundes ist nicht so perfekt wie jene aus dem Computer: Aber sie entspricht dem, was er und Nea ausdrücken wollen. 

 

Allen Unkenrufen zum Trotz: Ob KI wie ChatGPT eine Gefahr für die Schule wird oder nicht, ist in erster Linie auch eine Frage, was wir den Kindern für Aufgaben stellen, wie wir Fragen formulieren. Im umfangreichen Artikel der NZZ, aus dem diese Beispiele zitiert sind, zeigt diesbezüglich Wege auf. Doch das ist keineswegs neu. Vor ein paar Jahren haben findige Schüler angefangen,Wikipedia-Artikel als eigene Vorträge abzugeben...

Donnerstag, 9. Februar 2023

Schulisches Selbstvertrauen

«Ich kann es» und «Das bringt mir was» – das sind aus Sicht von Prof. Dr. Ulrich Trautwein die beiden wichtigsten Formeln für gelingendes, leichtes Lernen: «Wenn Schülerinnen und Schüler viel Vertrauen in ihre Fähigkeiten haben und dem Lernen einen Sinn beimessen, strengen sie sich gerne an und sind motiviert.» Doch bei vielen Kindern – so konstatiert der Bildungsexperte – sind diese Lernvoraussetzungen nur begrenzt gegeben; zudem kann sich die Lernbereitschaft auch über die Schuljahre hinweg verändern.


Trautwein ist einer der bekanntesten Bildungsforscher im deutschsprachigen Raum und ein viel gefragter Berater von Politik und Bildungsadministration: Direktor des Hector-Instituts für Empirische Bildungsforschung an der Universität Tübingen. Er leitet u.a. als Vorsitzender den wissenschaftlichen Beirat des Kultusministeriums Baden-Württemberg, der die Qualitätsentwicklung des dortigen Schulsystems vorantreibt, und als Co-Direktor das LEAD Graduate School & Research Network. Ulrich Trautweins Forschungsinteresse gilt vor allem der Frage, wie man Bildungssysteme moderner und wirksamer gestalten kann. Eine spannende Stunde als Einstimmung fürs Wochenende oder auf der Fahrt in die Winterferien...

Vortrag vom 27. Oktober 2021, Dauer ca. 53 min.

Donnerstag, 2. Februar 2023

Kinder auf Erfolgskurs?

Professor Margrit Stamm gilt als Pionierin im Bereich der Pädagogischen Psychologie und Erziehungswissenschaft: Margrit Stamm hat sich als eine der ersten Wissenschaftler in der Schweiz mit dem Thema «Frühkindliche Bildung und Familie» auseinandergesetzt. Ihr grosses Forschungs- und Publikationsspektrum umfasst u.a. die Bereiche Begabung und Talententwicklung über die gesamte Lebensspanne, Chancengerechtigkeit und Berufsbildung.

Das Nachdenken über den Schulerfolg der Kinder hat Konjunktur. Eltern fühlen sich verpflichtet, das Bestmögliche aus den Kindern herauszuholen. Wie können Väter und Mütter einen gelingenden Werdegang ihrer Kinder unterstützen, ohne selbst nicht an die eigene Leistungsgrenze zu gelangen? Der Vortrag von Professor Margrit Stamm zeigt auf, dass der Fokus auf gute Noten zu einseitig ist. Kinder sind dann auf Erfolgskurs, wenn ihre Eltern einen entspannten Erziehungsstil pflegen und Lebenskompetenzen wie Hartnäckigkeit und Frustrationstoleranz fördern.

Auzfzeichnung eines Vortrages vom 26. August 2021; Dauer: 1h 10min