Montag, 31. August 2015

Aktuelle Weiterbildung in Zürich (September, Oktober 2015, April 2016)

Lehrerinnen und Lehrer, die sich vom freien Unterricht eines Célestin Freinets und anderen inspirieren lassen, treffen sich regelmässig zum Austausch. Diese Weiterbildung durch den Blick durch offene Schulzimmertüren fördert die Öffnung des eigenen Unterrichts, den Austausch unter Kolleginnen und Kollegen und trägt somit auch zur Qualitätssicherung und Weiterentwicklung des Unterrichts bei. Falls Sie noch nie vom französischen Reformpädagogen Freinet gehört haben: Viele seiner Ideen wurden in den letzten Jahren unter Begriffen wie Erweiterte Lehr- und Lernformen wieder aufgegriffen; ganz oder bruchstückhaft. Hier lernen Sie das Original kennen.

Aufgefallen ist mir eine Serie von drei Treffen, die in nächster Nähe zum Bahnhof Zürich stattfinden:
in der Pädagogischen Hochschule in Zürich, gleich neben dem HB jeweils von 14 – 16.30 h

16. September 2015 mit Donatus Stemmle
Schwerpunkt: Klassenrat und Demokratie
Der Königsweg für mitverantwortetes Lernen führt über den Klassenrat …

18. Oktober 2015 Susanne Thommen
Schwerpunkt: Multikultur&Heterogenität und Individualisierung
Der gute Umgang mit all jenen, die auch noch im Schulzimmer sind …

13. April 2016 mit Margret Schulz
Schwerpunkt: Reflexion der Lernprozesse
z.B. Lob und Dank und Anerkennung vor und auf der «offenen Bühne» …

Als Einstieg, zur Auffrischung, zur Anregung oder zur Vertiefung. Einmal oder zweimal oder alle drei Male. Es ist keine Anmeldung nötig. Kontakt: Donatus Stemmle

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Die fünfteiligen Serie von Wole Soyinka geht am nächsten Montag weiter.

Montag, 24. August 2015

Internet als Medresse des 21. Jahrhunderts

Der nigerianische Autor und Nobelpreisträger Wole Soyinka geisselt Boko Haram. Er verbindet seinen Bericht über die bedrohten Bildungsinstitutionen in seiner Heimat an der jährlichen Tagung der Nobelpreisträger in Lindau mit einem leidenschaftlichen Plädoyer zur Verteidigung menschlicher Grundwerte. Zweiter Teil.

Das kompromisslose Pflichtgefühl gegenüber dem eigenen Glauben, das diesen Jugendlichen eingeimpft wurde (siehe erster Teil), räumt jeden Zweifel, jede Zurückhaltung, jedes Zugeständnis ans Lebensrecht Andersgläubiger aus. Es gibt nur einen Weg – der Rest ist haram. Der wahre Glaube muss verbreitet werden, mit allen Mitteln, und koste es, was es wolle: Das ist göttliches Gebot. Kein Wunder, dass die Welt mit Staunen auf das scheinbare Paradox blickt, dass die derzeit wohl primitivste Ausdrucksform von Spiritualität sich äusserst geschickt modernster Technologien zu bedienen weiss: Das Internet ist zur virtuellen Medresse des 21. Jahrhunderts geworden. Und allenthalben fragen sich die Soziologen, warum so viele junge Menschen, die im liberalen geistigen Klima moderner Gesellschaften aufgewachsen sind, sich unter der schwarzen Flagge der Jihadisten scharen. Erst allmählich setzt sich die Erkenntnis durch, dass das Internet – Ironie des Fortschritts – auch Vehikel der Regression sein kann.

Nicht nur bei uns in Nigeria, sondern weltweit flösst der Name «Boko Haram» mittlerweile Entsetzen und Angst ein. Der Name sagt eigentlich alles, denn bekanntermassen ist er eine korrumpierte Variante von «The book is haram»: Bücher sind verboten, natürlich mit Ausnahme des einen – des Korans. Und Bücher stehen hier für alles andere: für Wissen, Kultur und Kulturerbe, gesellschaftliche Lebens- und Umgangsformen, Wissenschaft und Technologie, die Künste – kurz, für so ziemlich jede geistige Tätigkeit, die jenseits der Beschäftigung mit einem korrumpierten Religionsverständnis liegt. Als Boko Haram ihre Geissel über Nordnigeria erhob, waren Schulen die ersten Ziele. Schliesst die Schulen, hiess es; Eltern, behaltet euren Nachwuchs zu Hause, schickt die Kinder nicht zum Unterricht. Lehrer, hängt euren Beruf an den Nagel. Boko Haram attackierte Hochschulen und Lehrkräfte; auch landwirtschaftliche Fachschulen waren betroffen, obwohl man hätte annehmen dürfen, dass wenigstens diese verschont würden, da sie doch im Dienst eines universalen Grundbedürfnisses stehen. So wurden im Herbst 2013 vierundvierzig Studenten und Lehrer des College of Agriculture in Gujba bei einem nächtlichen Überfall der Jihadisten massakriert.

Allerdings schienen Hochschulen in den Augen von Boko Haram nicht die eigentliche Brutstätte der Sünde zu sein; vorab waren vielmehr Primarschulen von den Übergriffen betroffen. Die Täter kamen zu nächtlicher Stunde, wenn die Schulgebäude leer standen, und setzten sie in Brand: Das waren, vor fünf, sechs Jahren, die ersten, damals noch vereinzelten Warnsignale. Als die Bewegung breiter und damit kühner wurde, machte sie das Lernverbot zum Programm und begann, grausigere Exempel zu setzen. Ihre Anhänger lauerten Lehrern und Schülern auf, fesselten sie und schnitten ihnen die Kehle durch – Ähnliches hört man auch von den Shabab-Milizen in Somalia.

Unnötig zu sagen, dass zudem Kirchen und andere nichtislamische Glaubensstätten im Visier der Fanatiker standen; mit der Zeit wurden sogar Moscheen attackiert, denn auch im Islam gibt es konkurrierende Mächte, Glaubensformen und Praktiken. Aber der eigentliche Dorn im Auge der Fundamentalisten schienen die Bildungsinstitutionen zu sein. Denn Bildung hinterfragt die Macht, welche die mystische Aura der Religion verleiht. Bildung ist ein Arsenal, dessen Inhalt die Offenbarungen des heiligen Texts in die Luft jagen könnte.

Aber Bücher, Laboratorien und Schulen sind nicht unzerstörbar. Und als es keine Schulen mehr abzufackeln gab, als die Lehrer geflüchtet oder in der Gesellschaft untergetaucht waren, als für sie und ihre Schüler das schiere Überleben zum einzig erstrebenswerten Lerninhalt geworden war – da begann das allgemeine Abschlachten, denn Menschen sind ja nicht nur Erzeuger und Nutzer, sondern auch Vektoren des Buchwissens. Die Logik ist unbarmherzig: Auch der Bauer, die Marktfrau, der Arbeiter – jedes menschliche Wesen, das sich nicht der rechten Lehre beugt, ist kontaminiert und darf, ja muss durch Feuer und Blut gereinigt werden.

Ich habe das schulische Milieu geschildert, das zu solchen mentalen Deformationen führt. Viele Jihadisten sind vom Geist der Medresse geprägt, der, wie angedeutet, nicht nur in den gleichnamigen Institutionen, sondern auch übers Internet Verbreitung findet. Manche von ihnen sind Immigranten der ersten oder zweiten Generation, die in Gesellschaften leben, deren Werte sie ablehnen und die in ihren Augen moralisch lax, dekadent, sogar blasphemisch sind. Sie wähnen ihre Seele in Gefahr und entfremden sich zunehmend der Gesellschaft des Gastlandes; werden sie hinlänglich indoktriniert, sind sie bereit, diese Gesellschaft in Stücke zu reissen. Das ist längst bekannt – aber ich möchte behaupten, dass hierzulande diesem Prozess unwillentlich noch Vorschub leistet wird.

aus dem Englischen übersetzt von as.


Montag, 17. August 2015

Schulen zwischen Urwald und Eton

Wir beginnen das neue Schuljahr mit einigen grundsätzlichen Überlegungen in einer fünfteiligen Serie. Der nigerianische Autor und Nobelpreisträger Wole Soyinka geisselt Boko Haram. Er verbindet seinen Bericht über die bedrohten Bildungsinstitutionen in seiner Heimat an der jährlichen Tagung der Nobelpreisträger in Lindau mit einem leidenschaftlichen Plädoyer zur Verteidigung menschlicher Grundwerte. Erster Teil.

Ich wurde nach Lindau eingeladen, um über Bildung in Afrika zu sprechen, und deshalb möchte ich Sie als Erstes zu einigen Bildungsstätten führen. Fangen wir mit der exotischsten an – folgen Sie mir bitte in die Wälder nahe meiner Heimatstadt Abeokuta. Wir entdecken die Fährte eines Tiers, die uns überraschenderweise zum Rudiment einer menschlichen Behausung führt. Das Dach ist über den windschiefen, innen wie aussen völlig überwucherten Wänden eingebrochen, aber irgendwo findet sich ein Durchschlupf, und – wer hätte das gedacht – wir stehen auf einem zementierten, wenn auch arg mitgenommenen Boden, um uns grob gefertigte Stühle, Bänke, Pulte und eine Wandtafel. An die Wand sind ein paar Zeitungsausschnitte gepinnt, im Pult findet sich noch ein Klassenbuch.

Keine Frage, das war einst ein Klassenzimmer. Einst? Ein Blick auf die Zeitungsausschnitte macht klar, dass hier vor knapp drei Wochen noch unterrichtet wurde. Natürlich. Es sind Ferien, die Regenzeit ist angebrochen, und wo das himmlische Nass seinen Weg auch durch löchrige Dächer, Fenster und Türen findet, wächst das Unkraut schnell.

Gewiss, das ist ein extremes Beispiel, aber für seine Wahrhaftigkeit stehe ich als Augenzeuge ein. Ich bin gern im Wald unterwegs und stosse dabei immer wieder auf solche verlassene Schulräume. Und in vielen Regionen Afrikas nimmt ihre Zahl zu – besonders natürlich in Kriegsgebieten, aber auch in solchen, die sich nicht in einem offenen Konflikt befinden, sondern vielmehr doktrinären Ideologien unterworfen sind.

Wenden wir uns lieber einem menschenwürdigeren Szenario zu, das ebenfalls gut vertreten ist – Schulen, deren Angebot durchaus über der erwartbaren Norm liegt. Ich meine Schulen mit Bibliotheken und Laboratorien, wo die Schüler experimentieren und erfinden können. Ich meine Schulen wie diejenige im westnigerianischen Staat Osun, die einen für schulische Bedürfnisse massgeschneiderten Laptop entwickelt hat, der im ganzen Staat verbilligt abgegeben wird. Das Gerät ist mit Daten aus dem nationalen und lokalen Curriculum geladen, liefert aber auch zusätzliche Informationen mit klarem Schwerpunkt auf afrikanischen Themen. So erdet das Gerät die Schülerinnen und Schüler in ihrer eigenen Kultur und öffnet ihnen gleichzeitig den Horizont der neuesten wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen.

Und weiter zu unserem dritten Schauplatz. Ein grösserer Kontrast zum ersten liesse sich kaum denken – hier haben wir es mit einer Art Transplantat der Eliteschule Eton, mit einem Exempel grotesker Entfremdungs-Psychologie zu tun. Auf afrikanischem Boden ist dies eine exotische Welt: Krawatten, wollene Blazer unter tropischer Sonne, eine Mini-Uno von Lehrkräften aus England, Indien, Frankreich, Deutschland usw. Ein Cricket-Feld mitsamt einem makellosen Pavillon für die elektronische Anzeigetafel. Rasen wie vom Friseur geschnitten. Ein grosszügiger Swimmingpool. Und was erspähen wir da in der Ferne? Tatsächlich: Reitpferde. Auch das gibt es – und zwar ebenfalls in Abeokuta. Diese Eliteschulen sind natürlich privat, und es ist ein offenes Geheimnis, dass manche von ihnen sich in der Hand ebenjener einstigen Staatsoberhäupter befinden, die den anhand des ersten Beispiels illustrierten Niedergang des nigerianischen Schulwesens mitzuverantworten haben.
Es gibt noch ein weiteres Schulmodell – eines, das in der deplorablen Entwicklung des Schulwesens mancherorts ebenfalls eine Rolle gespielt und insbesondere die eingangs geschilderten Zerfallserscheinungen befördert hat. Es ist dies die Medresse – ursprünglich eine islamische Variante der Primarschule, die weitgehend auf das Auswendiglernen setzt. Die Schüler lernen den Koran aus dem Kopf zu rezitieren, sie studieren das Leben und die Tugenden ihres Propheten Mohammed und seine in den Hadithen festgehaltenen Aussprüche und Lehren; sie lernen, was laut diesen Lehren erlaubt und was verboten ist und worin die jedem guten Muslim auferlegten Pflichten bestehen.

Früh lernen die Schüler auch, dass dem Lehrer absoluter Gehorsam geschuldet ist; dafür fühlen sie sich geborgen und beschützt. Es besteht eine enge, für Aussenstehende nicht ohne weiteres verständliche Beziehung zwischen Schüler und Lehrer; in einem Alter, da das Kind noch gänzlich formbar ist, bilden die Lehren des Mullah seine eine, existenzielle Wirklichkeit. Ich bin in der Nachbarschaft einer solchen Schule aufgewachsen und erinnere mich, dass mich Neid beschlich, wenn ich die Kinder im Chor antworten und rezitieren hörte: Es lag etwas Einschläferndes, fast Hypnotisches in den Stimmen, die durch die träge Nachmittagshitze herübertönten, und manchmal stimmte ich in den Chor ein, ohne zu wissen, was die Worte und Phrasen überhaupt bedeuteten.

Es muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass diese Medressen nicht mit Koranschulen gleichzusetzen sind. Ich ging auf eine christliche Missionsschule, die auch von muslimischen Schülern besucht wurde; diese hatten zwar am Abend oder am Wochenende zusätzlichen Unterricht in der Koranschule, wo sie in religiösen Dingen unterwiesen wurden, aber sie durchliefen ein normales schulisches Curriculum. Die Schüler der Medressen hingegen verlassen diese Institution – ob das nun beabsichtigt ist oder nicht – in einer Art geistiger Versklavung. Sie haben nur eine äusserst limitierte Vorstellung davon, was Lernen, was Bildung bedeutet. Sogar Erziehungsministerien in muslimischen Ländern haben mittlerweile erkannt, dass ein Gutteil der Fusssoldaten und der Bannerträger des radikalen Islamismus aus diesem Milieu stammt.

aus dem Englischen übersetzt von as.


Montag, 10. August 2015

Auch virtuell üben ist anstrengend

handfest, real.
Rein persönlich bevorzuge ich reales Übungsmaterial, also solches zum anfassen und mit dem die Kinder handfest arbeiten können: Wendekarten und Domino, Klammerkarten und Memory, LÜK und Logico, Zusammensetz- und Legespiele und manches mehr. Neben dem eigentlichen Lerngegenstand kommt somit auch das haptische Element dazu, und die Feinmotorik wird geschult.

Im Kapitel Selbstkorrektur werden einige solcher Werkzeuge vorgestellt, denn manches kann man selber herstellen oder gar zusammen mit den Kindern. Wenn die Kinder mit einigen Techniken vertraut sind, macht es ihnen durchaus Spass, für ihre Kameraden Übungen zu erfinden (die sie natürlich vorher selber testen müssen). Vorher schon helfen sie bereitwillig beim rein technischen herstellen wie zum Beispiel ausschneiden, falten, verpacken, ...


virtuell.
Es gibt jedoch auch viele interaktive und virtuelle Übungsmaterialien. Diese sind weder per se gut, noch per se schlecht. Auf der Seite Interaktiv habe ich geschrieben, in Ergänzung zu den vielen anderen Angeboten mögen mögen sie eine willkommene Erweiterung der Arbeitsmöglichkeiten darstellen. Die Schule muss nicht nur mit der Zeit gehen (und in der heutigen Zeit sind elektronische Geräte und Virtualität allgegenwärtig), sondern den Kindern auch deren Qualitäten und Grenzen aufzeigen.

Die Seite Interaktiv dient mir und meinen Kindern als Wegweiser, da sie, geordnet nach Fächern, Verknüpfungen zu virtuellen Übungen enthält, die uns nützlich sind oder waren. Es ist sicher nicht die umfangreichste Sammlung; hier zählt mehr die Qualität. Über die Sommerferien sind einige neuen Seiten dazugekommen.

Montag, 3. August 2015

Eine moderne Jenaplan-Schule

Die Sendung "Schule der Zukunft" stellt mit der Grundschule am Firstwald in Mössingen, Baden-Württemberg, eine Reformschule vor, die neue Wege geht, um ihren Bildungsauftrag zu erfüllen. Ausgehend vom Jenaplan wurde diese Schule aufgebaut. Im Beitrag kommt sowohl die Schulleiterin Cornelia Frank zu Wort, wie auch Werner Baur, zuständiger Oberkirchenrat der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Er spricht auch über die Haltung der Lehrer an einer privaten Schule.



Spannend ist auch, wie hier eine neue Schule aus dem Nichts aufgebaut worden ist. Im Gegensatz zur Schweiz gibt es in Baden-Würtemberg für Privatschulen gewisse Unterstützung.