Gestern berichtete die Sonntags-Zeitung über das belastende Klima an der Volksschule: Zeitdruck, verhaltensauffällige Schüler und komplizierte Eltern brächten in der Schweiz tausende Lehrer an den Rande eines Burn-outs. Erstmals zeigt eine schweizweite Erhebung, wie gestresst die Lehrer sind. Laut der Nationalfondsstudie der Fachhochschule Nordwestschweiz ist jeder dritte Volksschullehrer stark Burn-out-gefährdet.
Alleine auf der Oberstufe sind mehr als 10'000 Lehrer betroffen. Sie kommen auch in der Freizeit nicht mehr zur Ruhe und geben an, oft oder immer müde, schwach und krankheitsanfällig zu sein. 20 Prozent der Befragten fühlen sich «ständig überfordert» und fast ebenso viele sind mindestens einmal wöchentlich von depressiven Verstimmungen geplagt. Frauen und Teilzeitlehrer mit hohem Pensum sind am meisten gefährdet.
Präsentismus und Perfektionismus
Grund dafür ist laut Studienautorin Doris Kunz von der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz die Doppelbelastung. «Beide Gruppen sind ausserberuflich oft stark eingespannt, Frauen in der Regel mit der Kinderbetreuung», sagt sie gegenüber der «SonntagsZeitung». Keine Rolle spielt hingegen die Berufserfahrung. Auch in den verschiedenen Sprachregionen zeigen sich keine Unterschiede.
Die Ursachen für den chronischen Stress sind vielfältig. «Lehrer neigen zu Perfektionismus», sagt Barbara Zumstein, Leiterin der Beratungsstelle für Lehrpersonen in Luzern. Viele würden auch dann weiterarbeiten, wenn sie eigentlich nicht mehr können. Ein zweites Schlagwort ist laut Zumstein der «Präsentismus». «Wenn eine Lehrperson mal kurzfristig fehlt, ist gleich eine ganze Klasse von Kindern betroffen», sagt sie. Deshalb gingen Lehrer auch dann zur Arbeit, wenn sie gesundheitlich angeschlagen seien.
Reduktion auf 26 Wochenlektionen
Die vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) mitfinanzierte Studie schreckt Experten auf. Christoph Eymann, Präsident der kantonalen Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK), warnt im Interview vor den Folgen: «Viele Lehrer sind heute emotional so stark belastet, dass dies negative Auswirkungen auf den Berufsalltag und damit die Schüler hat.»
Der Schweizer Lehrerverband (LCH) schlägt seit längerem Alarm. Laut Präsident Beat Zemp sind die Folgen der Überbelastung fatal: Ein vergiftetes Schulklima und verminderter Lernerfolg der Schüler. Er verlangt jetzt eine Beschränkung der Klassengrössen auf 22 Schüler und eine Reduktion der Wochenlektionen auf höchstens 26 pro Lehrer. «Nur so können wir den zusätzlichen Aufwand für die Betreuung mindern und Spitzenbelastungen von bis zu 55 Stunden pro Woche vermeiden.»
Im Kanton Zürich haben es die Stimmbürger im November in der Hand. Dann stimmen sie nämlich ab über die Kantonale Volksinitiative: «Mehr Qualität im Unterricht dank kleinerer Klassen (Klassengrössen-Initiative)».
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen