Montag, 7. September 2015

Unbedachtes Plappern

Der nigerianische Autor und Nobelpreisträger Wole Soyinka geisselt Boko Haram. Er verbindet seinen Bericht über die bedrohten Bildungsinstitutionen in seiner Heimat an der jährlichen Tagung der Nobelpreisträger in Lindau mit einem leidenschaftlichen Plädoyer zur Verteidigung menschlicher Grundwerte. Dritter Teil.


Fragen wir noch einmal: Was sagt uns der Name Boko Haram? (siehe zweiter Teil)

Es ist, zunächst, nicht der Name, den unsere religiösen Fanatiker gewählt haben: Sie selbst nennen sich grossspurig «Jama'atu Ahli as-Sunna li ad-da'awati wal jihad», zu Deutsch etwa: Gefolgsleute der Lehren des Propheten und des Jihad. Auch wenn die Nigerianer auf die jähe und brutale Attacke dieser Gruppierung weder vorbereitet noch dafür gerüstet waren, griffen sie instinktiv nach der psychologischen Waffe der Verweigerung – man verweigert dem Gegner das, wonach er am dringendsten verlangt. So verweigerte man den Jihadisten sogar eine Kurzform des Namens, den sie sich selbst verliehen hatten: Niemand hat sie je als «Gefolgsleute des Propheten» oder «Gotteskrieger» bezeichnet. Nein, «Boko Haram» ist der Name, und er bedeutet: Philister und Ikonoklasten. «Boko Haram»: Mehr bringt ihr nicht zustande. Sprache kann auch eine Kriegswaffe sein.

Diese Lehre könnten die Menschen im heimgesuchten Nigeria dem Rest der Welt mitgeben: Macht keine Konzessionen an den Feind, jedenfalls nicht auf dem Terrain der Sprache, das allen gehört! Und sie liesse sich, beispielsweise, auf den Umgang mit dem IS übertragen. Denn der Islamische Staat ist kein Staat – und er ist nicht islamisch. Oder macht etwa die Tatsache, dass ein paar Psychopathen sich auf einem Stück Grund und Boden breitmachen, diesen Boden bereits zum Staat?

Angesichts dieser Feststellungen muss es erstaunen, dass führende Zeitungen wie die «New York Times» oder «Le Monde» in ihrer Berichterstattung den Begriff «Islamischer Staat» und damit die Selbstglorifizierung brutalisierter Spinner fraglos übernehmen. Denn die scheinbar unbedeutende Konzession hat durchaus psychologische Implikationen. Die Jugend, wir wissen es, ist die Zeit der Rebellion, die Zeit, da das Individuum fast instinktiv den Status quo ablehnt. Die Ironie dieses Reflexes besteht darin, dass er lediglich das Vorspiel zu einer neuen Bindung darstellt; denn erst die Bindung an etwas anderes schafft die Grundlage, von der aus man das Bestehende verwerfen kann. Sie ermächtigt den Aussteiger, dieses Andere als bedeutsamer und wertvoller darzustellen – als eine Alternative, welche die geltenden Normen insgesamt infrage stellt und disqualifiziert.

aus dem Englischen übersetzt von as.


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