Montag, 13. Juni 2016

Von der Atomisierung der Lehrer

(Universität Zürich)
Dr. Lucien Criblez ist Professor für Pädagogik und Leiter des Instituts «Forschung und Entwicklung» an der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz. Er hat ursprünglich an der Universität Bern Pädagogik, Psychologie, Geschichte und Germanistik studiert; zu seinen Spezialgebieten gehören Bildungsgeschichte, Bildungspolitik, Schultheorie und Lehrerbildung. In einem längeren Interview kam er auch darauf zu sprechen, dass Lehrer immer mehr Erziehungsarbeit zu leisten hätten und skizzierte einen Ausweg für die Zukunft:

«Die vollständige Atomisierung des Lehrberufs wird eine der wesentlichen Diskussionen der nächsten Jahre sein: Welche Aufgaben gehören zum Amtsauftrag, welche nicht? Natürlich können Lehrkräfte Aufgaben bei der Betreuung in Tagesschulen übernehmen, wenn sie ein entsprechendes Stellenangebot wahrnehmen wollen und können und wenn sie Rahmenbedingungen und Lohn akzeptieren. Es stellt sich aber die Frage: Ist dies Teil des Amtsauftrags oder nicht?

Eine der Entwicklungschancen des Lehrberufs in den nächsten Jahren ist die Differenzierung von Aufgaben im Schulbereich. Der Lehrberuf wird karrierisiert, das heißt: berufliche Laufbahnen und Veränderungen werden innerhalb der Schulen möglich. Das ist auch mit Hierarchisierung verbunden, was bei der Einführung von Schulleitungen deutlich wird. Die zunehmende Funktionsteilung in den Schulen und die Spezialisierung von Lehrkräften entsprechen gesamtgesellschaftlichen Entwicklungstendenzen; vielleicht hat sich die Schule diesen Entwicklungen zu lange verweigert.

Die unterschiedlichen Funktionen in der Schule verlangen aber nach klaren Definitionen der unterschiedlichen Aufgabenbereiche und der professionellen Voraussetzungen für das Erfüllen dieser Aufgaben. Diese Voraussetzungen sind für die Tagesbetreuung sicher teilweise andere als für das Unterrichten. Es braucht meines Erachtens also einen Amtsauftrag für das Unterrichten und einen für die Tagesbetreuung mit definierten Erwartungen an die Ausbildung für diese Aufgaben.»

Das sind durchaus Chancen. Doch wo Chancen sind, gibt es auch Risiken. Ich sehe eine ganze Reihe davon. Mehr dazu in einem späteren Beitrag. Vielleicht mag einer der Leser auch etwas dazu beitragen (im Kommentarfeld)?

2 Kommentare:

  1. Solange der Beruf des Grundschullehrers zwar als sehr wichtig, finanziell aber am geringsten mit A12 (statt A13-A15 im Gymnasium) und von den Arbeitsbedingungen (die höchste Unterrichtsverpflichtung, das größte Schüler-Lehrerverhältnis und keinerlei Karrierechancen) aber als der unwichtigste gekennzeichnet ist, sehe ich hier keinerlei Verbesserungen. Veränderungen zeichnen sich im Sek I Bereich ab, die Grundschule wird dabei immer schön "vergessen". Das klappt ja ganz gut, da sich Frauen sehr gerne ausbeuten lassen, wenn die Atmosphäre nur stimmt.

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  2. Sehr wahre Worte. In Frankreich zeigt sich dies etwa darin, dass die Elite ihre Kinder in teure Privatschulen schickt, selbst die sozialistischen Politiker, welche die Volksschule am Gängelband halten. Ich will damit nicht für den freien Markt plädieren, verhehle jedoch nicht, dass mir das niederländische Schulmodell vielversprechender scheint (abgesehen davon, dass dort reformpädagogische Tendenzen einen besseren Stand haben).

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